Es gilt zwar weiterhin der Grundsatz, dass die Behörden die mildest mögliche Maßnahme ergreifen müssen, um Gefahren abzuwenden und es ist auch klar rechtswidrig, durch Zeichen 240 außerorts Gefahren erst zu schaffen. Aber zahllose Beamte in fast allen Landkreisen Deutschlands haben sich schon bisher nicht um die Vorschriften und Empfehlungen geschert und könnten in dieser StVO-Änderung einen Freibrief sehen, quasi jede außerörtliche Straße zur Kraftfahrstraße zu erklären, gleich, was das für Radfahrer, aber auch für Fahrer leichter Motorroller bedeutet. Im schlimmsten Fall steigen die Unfallzahlen deutlich.
Mit dieser StVO-Änderung wird somit auch das wegweisende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 für Wege außerorts wieder kassiert, welches eindeutig klarstellte, dass benutzungspflichtige Radwege nur bei einer besonderen Gefahrenlage, die das allgemein übliche Maß der Gefährdung erheblich übersteigt, ausgewiesen werden darf. Damals wurde die vorgesehene Normalität – die Anlage von "Radwegen ohne Benutzungspflicht" – ausdrücklich gestärkt, denn gute Radwege benötigen in der Regel keine Benutzungspflicht. Radfahrer, die manche Radwege nur ungern benutzen, tun dies aus gutem Grund und stellen dem Radweg damit praktisch ein schlechtes Zeugnis hinsichtlich Gefahrenlage und Zustand aus. Dazu gehören Schlaglochpisten, ewig währende Scherbenhaufen, starke Frequentierung durch Fußgänger (die man nicht gefährden möchte), steil abschüssige und enge Wege, oft durch viel Laub führend, was mit erheblichen Sturzgefahren insbesondere bei Nässe einhergeht sowie gefährliche Einbauten wie Drängelgitter oder massive Verengungen. In vielen Ländern der Erde, von Asien bis nach Amerika, baut man Fahrbahnen gleich etwas breiter und/oder einen sehr gut nutzbaren Seitenstreifen daran. Das entschärft viele Probleme von vorneherein und erfordert keine Schilder zur Benutzungspflicht.
Die neue Verordnung wirft das Recht eines Radfahrers auf Fahrbahnnutzung außerorts im Grunde auf den St and von 1997 zurück, als die allgemeine Radwegebenutzungspflicht aufgehoben wurde.Grund dieser Änderung war, dass endlich auch Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Verkehrsunfallforschung berücksichtigt wurden, die Radwegen teils deutlich erhöhte Unfallrisiken bescheinigten. Bis heute konnte zudem keine einzige Studie auch bei Radwegen innerhalb wie außerhalb geschlossener Ortschaften einen Zugewinn an Sicherheit nachweisen. Im Gegenteil sterben gerade auf Radwegen sehr viele Menschen bei Zusammenstößen oder durch Alleinunfälle, weil sie etwa auf oder über Einbauten und sonstigen Hindernisse stürzen, mit denen sie auf der Fahrbahn nicht konfrontiert werden. Leitplanken fangen beispielsweise Autofahrer "weich" ab, die scharfkantigen Befestigungsposten dagegen zeigen zum Radweg.
Es gibt viele gute Gründe für einen erfahrenen und selbstbewussten Radfahrer, die Fahrbahn einem Radweg vorzuziehen: Jene ist in aller Regel durch die stetige Befahrung durch Fahrzeuge deutlich sauberer (kein Laub, keine Scherben, kein Sand, Schotter usw.), sie trocknet schneller ab, ist von besserer Fahrbahnqualität und im Gegensatz zum Sonderweg verliert man auch nicht an vielen Einmündungen sein Vorfahrtrecht bzw. kann sich grundsätzlich darauf verlassen. Zudem wird man im Dunkeln nicht auf linksseitigen Radwegen durch den motorisierten Verkehr stark geblendet. Darüber hinaus muss man dort nicht ausdrücklich "langsam" fahren (nach geltender Rechtsprechung etwa 20 km/h), keine besondere Rücksicht auf Fußgänger (die nicht immer mit Radverkehr rechnen oder an ihn denken) und entgegenkommende Radfahrer nehmen, sondern kann sich mit dem Fahrrad als völlig normaler Verkehrsteilnehmer bewegen. Man ist somit auch zivil- und strafrechtlich deutlich sicherer auf der Fahrbahn unterwegs, da man dort möglichem Ärger dieser Art grundsätzlich aus dem Weg gehen kann!